Ein Staubsauger für die Weltmeere

Vor einigen Monaten tauchten die ersten Bilder eines zugegebenermaßen größenwahnsinnig wirkenden Projekts auf. Hundert Kilometer lange Barrieren mitten im Ozean, mit denen der zunehmenden Verschmutzung begegnet werden soll. Heute ist klar: Das Projekt ist nicht größenwahnsinnig, sondern zukunftsweisend – und realisierbar.

Der 16-jährige Boyan Slat ärgerte sich: Statt der faszinierenden Welt unter Wasser bot sich ihm bei seinem ersten Tauchgang in Griechenland ein trostloses Bild. Denn die Verschmutzung der Meere hatte beängstigende Ausmaße angenommen: „Es waren mehr Plastiktüten als Fische zu sehen“, sagt der heute 20-Jährige. Was andere maximal zu einem erbosten Kommentar auf Facebook und der künftigen Umgehung von Poseidons Heimat bewegen würde, weckte bei Boyan Slat Kreativität. Wie konnte man der Verschmutzung effektiv beikommen?

Ocean Cleanup

So soll es aussehen… (Foto: Ocean Cleanup Foundation)

Mit ein paar Schiffen gegen Millionen Tonnen Müll

Gemeinsam mit einem Freund machte sich der Niederländer schlau: Welche Versuche wurden unternommen, um die Ozeane zu säubern? Warum sind sie gescheitert? Und vor allem: Was könnte man besser machen? Schnell wurde klar: Die bisherigen Ansätze waren kostenintensiv, zeitraubend und aufwändig: Wenige mit Netzen ausgestattete Schiffe wurden – wenn überhaupt – ausgesendet, um der Verschmutzung der Ozeane beizukommen. Eine Sisyphusarbeit, wenn man bedenkt, dass Schätzungen von rund 500 Millionen Tonnen Plastikmüll in unseren Weltmeeren ausgehen. Und selbst wenn man die Anstrengungen verstärken würde: Tausende von Jahren wären nötig, bevor signifikante Ergebnisse sichtbar wären.

Ocean Cleanup

Boyan Slat, Kopf hinter Ocean Cleanup (Foto: Ocean Cleanup Foundation)

Wenn das Leben Dir Zitronen gibt…

Die Idee von Boyan Slat, zu diesem Zeitpunkt Student an der Technischen Universität Delft mit Schwerpunkt auf Aerospace Engineering, geht in eine ganz andere Richtung – und stellt den vermutlich innovativsten Ansatz zur nachhaltigen Säuberung der Weltmeere dar. Der so einfache wie geniale Gedanke: Warum sollten sich die Netze bewegen, wenn sich die Ozeane doch ohnehin selbst bewegen? Denn die sind ständig in Bewegung, und zwar in Form der sogenannenten “Gyres”, deren “Wirbel” gesamte Ozeane abdecken, namentlich den Nord- und Südatlantik, Nord- und Süd-Pazifik sowie den Indischen Ozean. Sollte man nun im Strom dieser Wirbel riesige Barrieren befestigen, müsste sich der Müll darin verfangen – und man könnte sie, einmal installiert, weitestgehend sich selbst überlassen.

Ocean Cleanup

Mit kilometerlangen Barrieren wird der Müll aus dem Meer gefischt (Foto: Ocean Cleanup Foundation)

Und es geht doch!

Doch für riesige Wirbel braucht es auch riesige Netze. Also – wirklich riesig. Insgesamt 100 km lang sollen die Barrieren sein – 50 km in jede Richtung. Hier könnten sich, so die Schätzung des Projektteams, rund 70 Millionen Tonnen Plastik innerhalb von 10 Jahren verfangen – und das rund 30 Mal preiswerter als mit herkömmlichen Methoden – vor allem aber knapp 8.000 Mal schneller! Doch ist das Projekt überhaupt realistisch? Mit dieser Frage beschäftigten sich zahlreiche Wissenschaftler und erstellten eine umfangreiche Durchführbarkeitsstudie, in die mehr als ein Jahr Arbeit, zahlreiche Computersimulationen und nicht zuletzt ein Test mit einem 40 Meter langen Prototypen flossen. Das Ergebnis: Es geht!

Ocean Cleanup

Versorgt werden die Stationen mit Solarenergie (Foto: Ocean Cleanup Foundation)

Immer mehr Menschen glauben an den „Ozeanstaubsauger“

Dass Boyan Slat weiß, wie wichtig überzeugende Testergebnisse sind, zeigte sich, als wir im März das erste Mal mit ihm sprachen. Damals drangen erste Bilder von seinem „Ozeanstaubsauger“ an die Öffentlichkeit, doch Slat bat uns, vorerst keinen Bericht zu veröffentlichen, da er gerne die Ergebnisse der Durchführbarkeitsstudie abwarten wollte. Gleichzeitig sammelte er Unterstützer für das beeindruckende Projekt: Mittlerweile teilen mehr als 15 Institutionen die Vision des „Ocean Cleanup“, mehr als hundert Freiwillige arbeiten an dem Projekt und rund 3.000 „Funder“ unterstützten die Umsetzung finanziell.

Ocean Cleanup

Mit kilometerlangen Barrieren wird der Müll aus dem Meer gefischt (Foto: Ocean Cleanup Foundation)

Noch 68 Tage für zwei Millionen Dollar

Doch auch wenn sich die Reinigung nach Slats Methode deutlich einfacher und kostengünstiger realisieren lässt, sind die Anfangsinvestitionen sehr hoch. Doch auch dieses Problem geht der findige Tüftler mit seinem typischen Optimismus an und rief eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben. Deren Ziel: Zwei Millionen Dollar bis zum 13. September 2014. Und – unglaublich, aber wahr: Knapp die Hälfte des Geldes ist bereits da. Und jeden Tag kommen weitere Spender hinzu, die dazu beitragen möchten, dass in Zukunft Tauchgänge nicht mehr von Plastiktüten dominiert werden.

Wer das Projekt unterstützen möchte: http://www.theoceancleanup.com/

Ocean Cleanup

Noch 1 Million Dollar fehlt für die Realisierung (Foto: Ocean Cleanup Foundation)

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